Ein Blick aus der Submarine-Lounge des Ponant-Kreuzers. Die Meerjungfrau paddelte nur zu Demonstrationszwecken vorbei.
Die Produkte des Familienunternehmens GL bestehen auch einmal Wal-Crashtests, um auf den Weltmeeren unterwegs sein zu können.
Halstenbek. Ein Halstenbeker Familienunternehmen sorgt mit speziellen Glasprodukten dafür, dass die Kundschaft in aller Welt zu Wasser und auf der Schiene stets gute Sicht hat. Seniorchef Gerhard Lutz und Schwiegersohn Lars Engel sind die Geschäftsführer gleich zweier Betriebe: Die GL Spezialverglasung am Immelsweg kümmert sich seit Jahrzehnten um Fensterscheiben aller Art für Schienenfahrzeuge. Die GL Yachtverglasung an der Ludwig-Meyn-Straße ist seit Ende der 90er-Jahre für die Mega-Yachten der Superreichen zuständig.
Außer so renommierten Geschäftspartnern wie den Zugherstellern Siemens, Alstom und Bombardier gehören mehr als 200 private und staatliche Bahnbetreiber zum Kundenkreis: Das reicht von der Deutschen Bahn AG und ihren Tochterunternehmen bis hin zur Österreichischen Bundesbahn und den S-Bahnen in Berlin und München. Auch Lokvermieter und Straßenbahnbetreiber gehören dazu. Die Züge der AKN werden ebenso mit Halstenbeker Glaskunst versorgt wie die Luxusyachten von russischen Milliardären, Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und diversen anderen schwerreichen Magnaten und Unternehmern beispielsweise aus China, Europa und den USA.
Beide GL-Betriebe fabrizieren übrigens kein Glas. Die hoch qualifizierten und spezialisierten Mitarbeiter entwerfen, konstruieren und montieren die Glaselemente nach Vorgaben, eigenen Ideen und in enger Zusammenarbeit mit den Auftraggebern und deren Designern. „Glaslieferanten sind eine Handvoll Unternehmen, mit denen wir seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeiten“, sagt Lars Engel.
Im Unterschied zu den Bahnkunden ist bei den Yachteignern auf höchste Diskretion zu achten. Namen lassen sich Lutz und Engel gewöhnlich nicht entlocken. Doch manchmal ist es kein Geheimnis mehr, wer dahinter steckt, wenn Lars Engel von „einem norwegischen Fischer“ spricht, der bei der norwegischen Werft VARD derzeit die größte Motoryacht der Welt bauen lässt. Dabei handelt es sich um Kjell Inge Røkke, einen Unternehmer, der tatsächlich einst als Fischer seine Karriere begann, später in der Offshore-Ölförderung Milliarden verdiente und nun zu den reichsten Norwegern zählt. Røkke hat das Forschungsprojekt REV (Research Expedition Vessel) ins Leben gerufen. Danach wird auch die jetzt entstehende Yacht benannt. „Ich möchte den Großteil dessen, was ich verdient habe, der Gesellschaft zurückgeben. ‚Projekt REV‘ ist ein Teil davon“, sagte Røkke in einem Interview mit der Osloer Zeitung „Aftenposten“.
Der Norweger will das Schiff der Umweltschutzorganisation WWF zur Verfügung stellen. Wenn es 2020 einsatzbereit sein wird, bezahlt der Mäzen auch bis zu 60 Wissenschaftler, die an Bord arbeiten werden, sowie die 30-köpfige Besatzung. Ziel ist es, Umweltforschung in Bereichen wie Klimawandel und Überfischung zu betreiben sowie mit superstarken Saugern Plastikmüll aus den Meeren abzuräumen und schadstofffrei zu verbrennen. Mit ihrer Fertigstellung wird die „REV“ im kommenden Jahr mit einer Länge von 186 Metern den bisherigen Spitzenreiter bei den Motoryachten, „Azzam“ (180 Meter), ablösen. Die „Azzam“, ohne GL-Glas, gehört dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Chalifa bin Said Al Nahjan.
Lutz und Engel freuen sich, dass ihr Unternehmen für die komplette Verglasung des künftigen Rekordhalters zuständig ist. Die beläuft sich auf 2200 Quadratmeter. Ein weiteres Rekordformat an Bord wird ein 21 Quadratmeter großes, in einem Stück gefertigtes Spezialglasfenster sein. Mit „Projekt REV“ hat die GL Yachtverglasung dann an zwei Weltmeister-Formaten maßgeblich mitgewirkt. Denn die mit 143 Metern gegenwärtig größte Segelyacht auf den Weltmeeren wurde ebenfalls von den Halstenbekern verglast. Eigentümer des schlicht „Sailing Yacht A“ getauften Luxuskreuzers ist der russische Milliardär Andrej Melnitschenko. Das Besondere am Heckdeck: „Es handelt sich um den größten je einem Stück gefertigten gebogenen Glaskörper mit einer Länge von 15 Metern”, sagt Lutz. Nicht minder beeindruckend sind die unterhalb der Wasserlinie in den Rumpf eingebauten voluminösen Fensterhöhlen. Bevor die Superscheiben eingebaut werden konnten, gab es im Bodensee umfangreiche Druck- und Belastungstests.
Hier den kostenlosen Newsletter bestellen: täglich kompakt informiert.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Mit Halstenbeker Glasbaukunst wird auch eine neue Flotte der französischen Edel-Kreuzfahrt-Reederei Ponant ausgestattet. Der Auftrag des Spezialisten für Expeditionsreisen in die Tropen und in den Polarbereich umfasst sechs Kreuzer. Vier sind schon unterwegs, zwei noch in Bau. Jedes Schiff, 125 Meter lang und wendig genug, um auch in den Amazonas vordringen zu können, beherbergt nur 184 Gäste – in Suiten und Kabinen mit ganz viel Glas. Auch unterhalb der Wasserlinie gibt es dank der auch bei Ponant verwendeten Fensterhöhlen in der Submarine-Bar freien Blick auf die maritime Unterwelt. Dazu dienen jeweils zwei Bullaugen-Ovale im Rumpf.
Mit jedem neuen Yacht-Auftrag sind meist auch höchst anspruchsvolle Innovationen verbunden. „Damit stoßen wir oft auch in für uns neue Dimensionen vor“, berichtet Engel. „So erreichen die Unterwasserfenster der Ponant-Kreuzer eine Stärke von 30 Zentimetern, wiegen pro Stück mit Rahmen 6000 Kilogramm und haben Belastungstest mit Gewichten von einer Tonne schadlos überstanden.“ Mit dem Crashtest wurden Karambolagen mit Walen oder umhertreibenden Containern sowie der Eisgang im Polarmeer simuliert.
In anderen, doch nicht minder eindrucksvollen Größenordnungen spielt sich der Service bei GL Spezialverglasung ab. „Wir unterhalten das größte Scheibenlager Europas“, so Lutz. Dazu gehören Front- und Seitenscheiben ebenso wie Notausstiegsfenster für alle gängigen Zugsysteme von der Kleinbahn bis zum ICE. Allein im Halstenbeker Hauptsitz am Immelsweg sind stets rund 10.000 Scheiben aller Art und Größen auf Lager vorrätig. Hinzukommen sechs weitere GL-Stationen in Deutschland und Österreich. Ein Fuhrpark mit mehr als 70 Spezialtransportern sorgt dafür, dass die Ware mit den Monteuren schnellstens beim Kunden ist. Das Auftragsvolumen reicht vom Austausch einzelner Scheiben bis zur Neuverglasung ganzer Zugflotten. Schon 2006 gab es vom damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn den Bahn-Oscar als Lieferant des Jahres: GL hatte im laufenden Betrieb in sämtliche ICE-Züge insgesamt 10.000 Notausstiegsfenster eingebaut.
Zur Firmengeschichte: Die Keimzelle für die Unternehmen GL Spezialverglasung und GL Yachtverglasung war 1909 die Hamburger Glaserei Ernst Hennecke. Schon damals ging es um Glas in Fahrzeugtechnik und -design. Seit 2002 ist das 15.000 Quadratmeter große Gelände am Immelsweg in Halstenbek Firmensitz. Von den insgesamt 170 Mitarbeitern sind 130 in der Spezialverglasung und 40 in der wenige hundert Meter entfernten Yachtverglasung an der Ludwig-Meyn-Straße tätig. Gerhard Lutz und Schwiegersohn Lars Engel leiten das Unternehmen in dritter und vierter Generation. Der Yacht-Sektor entstand aus zunächst wenigen Einzelaufträgen. Als die Nachfrage stieg, kam es Ende der 1990er-Jahre zur Gründung der GL Yachtverglasung. Wegen der guten Entwicklung soll der Yachtbereich demnächst ausgebaut werden. Dafür wurde bereits ein 10.000 Quadratmeter großes Gelände unmittelbar neben dem GL-Hauptbetrieb am Immelsweg erworben. Der Gesamtumsatz in beiden Unternehmen belief sich 2018 auf 35 Millionen Euro gegenüber zehn Millionen Euro im Vergleich zu 2008.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Pinneberg